Chirurgie III:
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie und Neurotraumatologie

Morbus Bechterew


Die Wirbelsäule des Menschen kann aus verschiedenen Gründen im Verlauf des Lebens versteifen. Die vielleicht bekannteste Erkrankung ist der Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans oder Bambusstabwirbelsäule), eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung, die sich häufig in den Hüftgelenken und Iliosakralgelenken manifestiert und im Verlauf des Lebens auf die gesamte Wirbelsäule übergreifen kann. Die Prävalenz in Deutschland beträgt 1,9 Prozent (1).
Eine weitere Erkrankung ist der Morbus Forestier (Diffuse idiopathische Skeletthyperostose, kurz DISH). Sie ist nach dem französischen Internisten Jacques Forestier (1890–1978) benannt. Dabei kommt es vornehmlich bei älteren Patienten zu knöchernen Anbauten an den Wirbelkörpern, die im Verlauf immer mehr zunehmen und mit der Zeit zu einer Überbrückung der Bandscheibenräume führen. Der M. Forestier wird gehäuft bei Patienten mit Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen beobachtet. Er tritt aber auch als selbständige Erkrankung ohne andere Grunderkrankung auf und kann auch die gesamte Wirbelsäule betreffen.
Durch altersbedingten Verschleiß kann es ebenfalls zu knöchernen Randanbauten (Spondylophyten) kommen, die in starker Ausprägung auch zur Versteifung der Wirbelgelenke führen. Diese betreffen ebenso wie bei den künstlich durch Operationen herbeigeführten Wirbelsäulenversteifungen (Fusionen) in der Regel nur wenige Segmente.
Insbesondere bei den beiden erstgenannten Erkrankungen, bei denen längere Strecken betroffen sind, kann es schon bei harmlosen Stürzen zu schwerwiegenden Verläufen kommen. Das liegt daran, dass das Achsorgan aufgrund der langstreckigen Einsteifung keine Kompensationsmöglichkeiten hat und die eingeleitete Kraft nicht durch Beugung und Streckung abgeleitet werden kann. Oftmals entstehen dabei Fissuren an der Wirbelsäule, die sich in konventionellen Röntgenaufnahmen nur schwer erkennen lassen oder die durch die Überlagerung von anderen Strukturen (wie zum Beispiel der Schulter) verborgen bleiben (Bild 1a+b).
Aus diesem Grund ist bei jedem Patienten mit einer langstreckigen Wirbelsäulenversteifung nach einem Unfall mit nachfolgenden Schmerzen im Rücken oder Nacken eine Schnittbildgebung (MRT oder CT) des betroffenen Abschnittes zum Ausschluss ernsthafter Verletzungen erforderlich (Bild 2). Anders als bei der gesunden Wirbelsäule kann es hier bei einer Fissur im Verlauf sehr leicht zur Dislokation kommen (Bild 3). Daher müssen Verletzungen in diesem Zusammenhang als hoch instabil betrachtet werden.
Nicht selten kommt es in dieser Situation erst Wochen später zu neurologischen Ausfällen zum Beispiel mit einer inkompletten Lähmung eines Armes (Hemiparese), deren Ursache aufgrund des länger zurückliegenden Sturzereignisses zunächst nicht richtig zugeordnet und daher fälschlicherweise wie ein Schlaganfall (Apoplex) behandelt werden (siehe Fallbeispiel).
Die einzige Möglichkeit zur Behandlung ist die zeitnahe Entlastung der nervalen Strukturen und eine langstreckige überbrückende Instrumentierung, die zu einer Fusion des Verletzten Abschnitts führen sollte (Bild 4a+b). Idealerweise sollte daher selbst bei anfänglich nicht dislozierten Frakturen bei diesen Patienten großzügig die Indikation zur OP gestellt werden, damit es nicht erst zum katastrophalen Verlauf kommen kann.
Frakturen an der Halswirbelsäule in diesem Zusammenhang dürfen nur mit äußerster Vorsicht mit steifen Orthesen behandelt werden, weil bei der Anlage die Fraktur in die Dislokation gezwungen werden kann. Es sind in der Literatur Fälle beschrieben, bei denen es durch die Anwendung solcher Hilfsmittel zur akuten, irreversiblen Querschnittslähmung gekommen ist (2).
Literaturhinweise
(1) J. Braun, M. Bollow, G. Remlinger et al.: Prevalence of Spondylarthropathies in HLA-B27 positive and negative blood donors. Arthritis & Rheumatism 1998; 41: S. 58–67.
(2) Clarke A, James S, Ahuja S. Ankylosing spondylitis: inadvertent application of a rigid collar after cervical fracture, leading to neurological complications and death.. Acta Orthop Belg. 2010 Jun;76(3):413-5.