Klinik für Nuklearmedizin
Nukleardiagnostik
Die Diagnostik mit radioaktiven Stoffen dient der Untersuchung der verschiedenen Körperfunktionen.
Schilddrüse
Die Schilddrüse liegt oberhalb der Schlüsselbeine am Hals. Ihre Aufgabe ist die Produktion des Schilddrüsenhormons. Dazu filtert sie ständig Jod aus dem Blut, um es in ihrem Gewebe anzureichern. Jod ist der Grundbaustein der Schilddrüsenhormone.
Injiziert man einem Menschen eine geringe Menge radioaktives Jod in eine Vene, so kann man diesen Vorgang mit einem speziellen Gerät im Bild darstellen. Das radioaktive Jod wird nämlich – genau wie das natürlich vorkommende Jod – in die Schilddrüse aufgenommen. Ein solches Bild zeigt, wie die Schilddrüse arbeitet. Das so erzeugte Bild wird als „Szintigramm“ bezeichnet.
Das Szintigramm in Abbildung 1 stammt von einem gesunden Menschen. Es zeigt die Schilddrüse, die schmetterlingsförmig links und rechts der Luftröhre am Hals liegt. Die Schilddrüse arbeitet auf diesem Bild regelrecht und nimmt dafür gleichmäßig Jod auf. Die Farben bedeuten, wie viel Jod die Schilddrüse aufnimmt und weiter verarbeitet. Die zentralen, rot gefärbten Abschnitte arbeiten am meisten. Dann kommen die gelben und grünen Bereiche. In den blau gefärbten Regionen wird hingegen nur sehr wenig Jod gebraucht.
Die zweite Abbildung zeigt eine Schilddrüse, die einen Knoten aufweist. Es ist zu erkennen, dass der Knoten fast das gesamte Jod aufnimmt, während die restliche Schilddrüse kaum oder gar nicht arbeitet. Das liegt daran, dass dieser Patient eine Schilddrüsenüberfunktion hat. Die Menge der Schilddrüsenhormone im Blut ist höher, als für ihn gesund ist. Die Schilddrüse registriert das und produziert selbst keine Hormone mehr. Dies ist ein natürlicher Mechanismus, der in dem Knoten offenbar nicht funktioniert. Man nennt diese Knoten auch „autonome“ Knoten. Viele Menschen sagen auch „heiße“ Knoten dazu, obwohl der Knoten in Wirklichkeit keine höhere Temperatur hat, als die normale Schilddrüse.
Das Szintigramm erlaubt es somit, autonome Knoten aufzuspüren, indem es ein Abbild der Schilddrüsenfunktion liefert. Außerdem ist es möglich, das Ausmaß der Jodspeicherung zu bestimmen, was vor bestimmten Behandlungen wichtig ist.
Heutzutage wird ein Szintigramm nicht mehr mit Jod durchgeführt. Wir verwenden stattdessen eine schwach radioaktive Substanz, die bereits nach wenigen Stunden zerfallen ist oder den Körper wieder verlassen hat. Die Aufnahmen werden etwa 15 bis 20 Minuten nach der Injektion angefertigt. Die Strahlenbelastung durch die Untersuchung ist sehr gering. Sie kann deshalb bei praktisch allen Menschen durchgeführt werden. Eine Ausnahme besteht nur bei schwangeren Frauen und in der Stillzeit. Allergien oder Unverträglichkeiten gibt es nicht. Das Schilddrüsenszintigramm ist somit eine der verträglichsten medizinischen Untersuchungen überhaupt.
Das Schilddrüsenszintigramm kann aber nicht alle Fragen beantworten. Wenn es zum Beispiel um die Größe der Schilddrüse geht, ist eventuell noch eine Ultraschalluntersuchung notwendig. Außerdem müssen für eine vollständige Schilddrüsendiagnostik meistens auch Blutwerte untersucht werden. Für jeden Patienten ist also eine andere Kombination von Untersuchungsverfahren sinnvoll.
Niere
Die seitengetrennte Nierenfunktionsszintigraphie dient zur Bestimmung und zur bildlichen Darstellung der Funktion und der Abflussverhältnisse der Nieren. Die Untersuchung beruht darauf, dass bestimmte Substanzen von den Nieren aus dem Blut filtriert und auf diese Weise aus dem Körper eliminiert werden. Eine solche Substanz wird injiziert und anschließend Aufnahmen ihrer Verteilung im Körper angefertigt.
Herz
Die wichtigste Herzerkrankung ist die so genannte koronare Herzkrankheit (KHK). Bei ihr liegt eine Einengung der Herzkrankgefäße vor. Dadurch kann es zu Beschwerden (zum Beispiel Luftnot, Druck hinter dem Brustbein) kommen, die in der Regel belastungsabhängig sind. Mit der Myokardszintigraphie kann untersucht werden, ob eine solche, relevante Einengung der Herzkrankgefäße vorliegt.
Dazu wird eine Substanz injiziert, deren Aufnahme in die Herzmuskelzellen proportional zur Durchblutung des Gewebes ist. Deshalb spiegelt die Verteilung dieser Substanz im Herzen für einige Stunden lang die Durchblutung zum Zeitpunkt der Injektion wieder. Die Durchblutung des Herzmuskels benötigt aber durchgängige Kranzgefäße. Ab einem bestimmten Einengungsgrad der Gefäße ist die Durchblutung nicht mehr gewährleistet, was man im Bild sehen kann. Auch Narben, die zum Beispiel nach einem Herzinfarkt auftreten, sind vermindert durchblutet und können auf diese Weise festgestellt werden.
Die Myokardszintigraphie sollte idealerweise in Ruhe und unter Belastungsbedingungen durchgeführt werden. In Ruhe sind nämlich normalerweise auch diejenigen Herzanteile regelrecht durchblutet, die zu einem leicht eingeengten Krankgefäß gehören. Erst durch die Belastung – zum Beispiel Fahrradfahren – kommt es zu einem sicheren Befund.
Hirn
Verschiedene Untersuchungen der Hirnfunktion sind möglich. Die häufigste Untersuchung ist die Dopamin-Transporterszintigraphie. Mit ihr kann die Frage geklärt werden, ob eine Parkinsonsche Krankheit vorliegt oder nicht. Mit einer anderen Untersuchung – der Dopamin-D2-Rezeptorszintigraphie – kann die Art der Störung genauer differenziert werden. Schließlich ist auch eine Untersuchung des Stoffwechsels des Gehirns möglich. Hiermit können Störungen wie zum Beispiel die Alzheimersche Krankheit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
Das Prinzip der Dopamin-Transporterszintigraphie wird im Folgenden erklärt werden: Nervenzellen leiten mit langen Bahnen elektrischen Strom von einem Teil des Gehirns zum anderen. An den Enden der Bahnen haben die Nervenzellen Kontakt zu anderen Nervenzellen. Diese Kontakte nennt man Synapsen. Hier kommt es durch den Stromimpuls zur Freisetzung von Botenstoffen. Ein wichtiger Botenstoff im Gehirn ist das Dopamin.
Die meisten Nervenzellen, die Dopamin produzieren, liegen in einem kleinen Gebiet im Hirnstamm: der Substantia nigra. Von hier aus ziehen Nerven in das Zentrum des Gehirns: das Corpus striatum. Nach ihrem Ausgangspunkt und ihrem Ende werden diese Nervenbahnen als nigro-striatale Fasern bezeichnet. Bei der Parkinsonschen Krankheit kommt es zu einer Zerstörung der nigro-striatalen Fasern.
Die Abbildung zeigt eine Synapse einer von oben kommenden nigro-striatalen Faser im Striatum mit einer weiteren Nervenzelle. Man sagt: die nigro-striatalen Faser ist die präsynaptische und die andere Nervenzelle die postsynaptische Zelle. Präsynaptisch wird Dopamin in speziellen Vesikeln gespeichert. Bei einem Stromimpuls, der auch als Aktionspotenzial bezeichnet wird, wird das Dopamin in den Spalt zwischen den Zellen freigesetzt. Dopamin wandert dann zu Rezeptoren, die auf der anderen Nervenzelle lokalisiert sind, und bindet an sie. Dieser Vorgang wird häufig damit verglichen, dass ein Schlüssel in ein Schloss gesteckt wird. Dopamin ist der Schlüssel, und der Dopaminrezeptor das Schloss. Der wichtigste Rezeptor im Striatum ist der Dopamin-D2-Rezeptor. Verbinden sich Dopamin und der D2-Rezeptor, dann wird auch in der zweiten Nervenzelle ein Aktionspotenzial ausgelöst. Dopamin stellt also die Verbindung zwischen den beiden Nervenzellen her, die letztlich für einen reibungslosen Ablauf von Bewegungen des Körpers sorgt. Fehlt Dopamin – wie zum Beispiel beim M. Parkinson –, dann kommt es zu Bewegungsstörungen.
Dopamin im Spalt zwischen den beiden Nervenzellen wird nach kurzer Zeit inaktiviert, indem es wieder in die nigro-striatale Faser aufgenommen wird. Dafür ist der Dopamintransporter verantwortlich. Im Gegensatz zu den Dopaminrezeptoren, die auf der Zelle am unteren Bildrand lokalisiert sind, sitzt der Dopamintransporter direkt auf der nigro-striatalen Faser. Kommt es zu einer Verringerung der Faserdichte, dann nimmt auch die Dichte an Dopamintransportern ab.
Bei der Dopamin-Transporterszintigraphie wird eine schwach radioaktive Substanz in eine Armvene injiziert, die sich am Dopamintransporter anreichert. Die angereicherte Menge ist proportional zur Menge der Dopamintransporter und kann mit einer speziellen Kamera dargestellt werden. Auf diese Weise kann also die Menge der Dopamintransporter im Gehirn gemessen werden. Wenn sie zu gering ist, liegt eine Parkinsonsche Erkrankung vor.
Knochen
Viele Menschen glauben, dass die Knochen unveränderlich und starr sind und den Körper stützen sollen, wie Säulen eine Kathedrale. Das ist aber falsch. In Wirklichkeit ist das Knochensystem ein hochaktives Organ. Die Knochenzellen filtern Kalzium und Phosphor aus dem Blut und lagern diese Mineralien in die Substanz des Knochens ein. Dieser Vorgang ist der Knochenstoffwechsel. Er garantiert, dass sich unser Skelett an alle Anforderungen mühelos anpassen kann.
Der Knochenstoffwechsel ist auch wichtig, um Erkrankungen zu bekämpfen. Wenn zum Beispiel eine Entzündung den Knochen angreift, so lagern die Zellen als Schutzwall rundherum vermehrt Kalzium ein. Der Stoffwechsel ist also gesteigert. Genauso reagiert der Knochen auf andere Störungen: Ein Bruch verheilt dadurch, dass die Knochenzellen vermehrt arbeiten; und auch bösartige Veränderungen werden von ihnen auf diese Weise bekämpft. Der Knochenstoffwechsel reagiert also auf alle Veränderungen, die unser Skelett betreffen, auf die gleiche Weise – er steigt an.
Die Methode, mit der der Knochenstoffwechsel untersucht und als Bild dargestellt wird, heißt Knochenszintigraphie. Dazu wird eine winzige Menge einer radioaktiven Substanz, die sich wie Kalzium verhält, in eine Vene injiziert. Nach zwei Stunden ist ein großer Teil davon in den Knochen aufgenommen worden.
Für ein Knochenszintigramm wird zunächst das Kalziumanalogon injiziert. Anschließend muss dem Knochen Zeit gegeben werden, die Substanz aufzunehmen. In der Regel sind dafür zwei Stunden ausreichend. In dieser Zeit können die Patienten essen und sollten etwas trinken. Und zwar so viel, dass nach Ablauf der zwei Stunden die Entleerung der Blase möglich ist. Die Aufnahmen selber dauern normalerweise etwa 20 Minuten. Wenn Zusatzaufnahmen erforderlich werden, kann es auch länger dauern. Es kann auch sein, dass der Arzt gleich nach der Injektion Aufnahmen anfertigen lässt. Bei einigen Krankheiten ist das sinnvoll.
Ein Vorteil der Skelettszintigraphie ist, dass damit praktisch alle Erkrankungen, die den Knochen betreffen, dargestellt werden. Und zwar oft bereits bevor sie im Röntgenbild erkennbar sind. Es wird also fast nichts übersehen. Allerdings führen sämtliche Erkrankungen zu einer Stoffwechselsteigerung. Die Ursache für einen Befund muss deshalb manchmal nach einem Szintigramm noch mit einem Röntgenbild abgeklärt werden.
Die Strahlenbelastung durch eine Skelettszintigraphie ist vergleichbar mit derjenigen durch eine Röntgenuntersuchung. Dabei hat die Skelettszintigraphie den Vorteil, dass der ganze Körper auf einmal untersucht wird, was beim Röntgen natürlich mit einer sehr viel höheren Strahlenbelastung verbunden wäre.
Lunge
Kommt es im Blut zu Gerinnseln, können diese mit dem Blutstrom bis in die Lunge gelangen. Dort verlegen sie Blutgefäße, wodurch es häufig zu plötzlich auftretende Luftnot kommen kann.
Ob eine Lungenembolie vorliegt oder nicht, kann mit einer Lungenszintigraphie festgestellt werden. Hierzu wird eine Substanz in die Armvene gespritzt, die sich in den kleinsten Gefäßen der Lunge kurzzeitig festsetzt und so die Durchblutung der Lunge anzeigt. Gleich im Anschluss an die Injektion erfolgt die Aufnahme. Sollte eine Lungenembolie vorliegen, erreicht die Substanz hier die kleinsten Blutgefäße nicht. Hierdurch kann sowohl die Lokalisation als auch das Ausmaß der betroffenen Lungenabschnitte bestimmt werden.